Den Bock zum Gärtner machen
Glosse von Dorothee Haering
10/2024
»Toleranz und Verständnis zwischen Jung und Alt, Frauen und Männern und unterschiedlichen Nationalitäten fördern«, dies ist das Ziel des Münchner Grünpaten-Programms seit 13 Jahren.
Löblich! Eine Idee die aber noch nie mit der Realität, sprich der Motivation der Grünpaten übereinstimmte und dem, was sich die Bürger sehnlich wünschen. Klimafitte Straßen, Artenvielfalt und Biodiversität, also mehr Lebensqualität und Schönheit vor ihrer Tür. Die Wirklichkeit sieht dort nämlich anders aus, verdreckte, ungepflegte Baumscheiben, die als Hundeklo, Mülleimer oder Fahrrad-Abstellplätze dienen.
Ob das Programm von den Bürgern angenommen wird, interessiert nicht, die Regelförderung fließt eh. Grüne und Rote radeln gerne miteinander und mit dabei, SPD-Stadtrat Andreas Schuster, der im Leistungsteam von Green City e.V. arbeitet.
Was so ein Wechsel ins Rathaus in vier Jahren alles bewirken kann. Vorher 248.374 Euro Fördergelder jährlich, aktuell 637.000 Euro. Der Verein ist nunmehr die Nummer 1 der Umwelt-NGOs in München, sogar vor dem Bund Naturschutz. Ein möglicher Interessenkonflikt besteht nicht, sagt SPD-Oberbürgermeister Reiter.
Plötzlich wird´s ungemütlich für den Verein und dem Referat. Fakten werden ans Licht gezerrt, Anträge und Fragen gestellt. München leistet sich das teuerste Grünpaten-Programm und ist das Schlusslicht mit ca. 80 Paten / 500.000 Euro incl. Kellerleichen, hingegen glänzt Nürnberg mit über 2.000 Paten ohne NGO (Stand 2022).
Die Ruhe wird gestört, die Zeitungen berichten.
Damit aber nicht genug. Auf einmal entstehen Straßen-Gärtchen in der Umgebung der Schleißheimer Maxvorstadt / Schwabing, wunderschöne, ästhetische Blüh-Oasen mit heimischen insektenfreundlichen Stauden, ohne Green City.
Die Bürger sind begeistert, endlich tut sich was, sie helfen mit und finanzieren die Gärtchen mit ihren Obolus (über 3.000 Euro). Eine Webseite von Grünpaten für Grünpaten entsteht. Schilder weißen auf die Initiative hin, Flyer werden verteilt und auf nebenan.de gib´s wöchentliche Infos für die Bewohner – es bewegt sich was im Viertel. Die Idee schlägt Wurzeln, darf das sein?
Für den "Wildwuchs" ohne Patenschafts-Vereinbarung mit Green City, gibt´s natürlich kein Stadtteilbudget oder Fördergelder der Stadt, geschweige eine Anerkennung. Immerhin bieten die Begründungen der Ablehnungen einen guten Unterhaltungswert.
Die zuständige Referatsleiterin, Dr.-Ing. Jeanne Marie Ehbauer Grüne beteuert: »Das Projekt wird von Green-City e.V. bisher so umfänglich und gut betreut (...)«
Dass die Pflanzungen reihenweise scheitern, weil das kostenloses Staudensortiment mangelhaft ist, kein Problem. Dass die meisten Stauden nicht heimisch sind, kein Nektar und Pollen für Insekten bieten, dafür aber viel Wasser benötigen, kein Problem. Dass etliche Paten nach dem ersten Jahr aufgeben, kein Problem. Dass ein Beet dem Steuerzahler zwischen 3.000 und 6.500 Euro kostet, kein Problem. Dass Green-City-Paten kündigen und "Wildwuchsler" werden, das ist ein Problem. Dass die meisten Beete in München eigenfinanziert sind von Bürgern, ohne Beratung, Vereinbarung und Betreuung durch Green City, wird ausgeblendet. Genaue Zahlen der aktiven Green-City-Paten und Neuzugänge im Jahr, weiß man nicht.
»Ob sich der soziale Beitrag, den die LHM sich mit der Förderung des Projektes von Green City leistet, in Geldwert umrechnen lässt bzw. Kosten und Nutzen in angemessenem Verhältnis stehen, erscheint eine sozialpolitische Frage, die der Stadtrat mit der Genehmigung der Mittel positiv beantwortet hat.«
Die teure Saat muss demnach nicht auf den Münchner Baumscheiben aufgehen, Dank der Irrealität der Politiker und Referate, allerdings für Green City muss es sprießen. Den trotz der vielen Steuergelder, die Vereins-Bilanzen wollen einfach nicht ins Plus wachsen. Das Vereinskapital schrumpft von 854.633,11 Euro 2018 auf 356.045,19 Euro 2022. Es muss was passieren!
Die Grünen Stadträte Bickelbacher, Schönemann, Hanusch, Harper, Stöhr und Smolka stellen einen Antrag im Bauausschuss: "Weiterentwicklung Grünpatenschaften", dauerhaft 151.000 Euro Sachmittel. Begründung warum, Fakten oder Zahlen im Antrag, Fehlanzeige.
Wieder stört der "Wildwuchs". Das Dokument wird im RatsInformations-System gesichtet.
»hallo frau haering, das geld soll eben nicht an green city weitergeleitet werden, dass haben wir nämlich extra und in vollem bewußtsein aus der vorlage streichen lassen. ich hoffe ihnen damit geholfen zu haben, beste grüße, christian smolka.«
Umgehend wird ein alternatives Konzept für das Grünpaten-Programm von den Neuen präsentiert: Keine Gelder für NGO´s, sondern die 150.000 Euro direkt an die Bürger für Stauden und Material bis zu 650 Euro pro Beet.
Panik bricht aus bei Green City, ein Plagiatsvorwurf ist die Antwort auf den Gegenspieler.
Der Antrag der Grünen wird im Stadtrat im Dezember stattgegeben mit der Rot-Grünen Mehrheit. Die Weiterentwicklung beginnt sofort, jedoch nicht im Sinne einer Ausschreibung oder die Suche nach dem besten Konzept.
Dies ist nicht nötig, den das Wort "Green City e.V." hat sich wieder in die Dokumente hineingeschmuggelt. Ist ein Fehlerteufel im Referat unterwegs, oder werden Stadtratsbeschlüsse "umgedeutet", damit es passt!?
Seit Januar wird vom Referat und Green City eine ... wie nennt man das gleich wieder ... "Fake News" ... kommuniziert: »die erforderliche Aufstockung der Fördermittel für Green City e.V. (…) hat der Stadtrat bereits beschlossen. (…)« »(...) dafür hat der Stadtrat Ende 2023 die Fördermittel für Green City auf künftig 240 000 Euro pro Jahr aufgestockt.« Hier das Original.
Gibt´s es für staatliche und städtische Fake News auch eine mit Steuergeldern finanzierte Meldestelle!?
Auf welcher Grundlage der Verein den Zuschlag erhalten hat, muss niemanden interessieren, kritische Haushaltslage hin oder her. Anträge stellen bei Referaten und Bezirksausschüssen, Mehrbedarf anmelden, Konzepte vorlegen, Kosten auf den Tisch legen, das macht viel Arbeit, und ob es klappt ist nicht gewiss, zumal bei einer 200 % Etat-Erhöhung.
Ach wie schön, dass es Fehlerteufel gibt. Das Geld sprudelt für Green City wie nie zuvor. Die soziale Leistung die Green City für "Toleranz und Verständnis" leistet, lässt sich nicht in Geldwert umrechnen. 240.000 Euro jährlich für die Betreuung von -/+ 150 aktiven Green-City-Paten incl. Kellerleichen und vielleicht -/+ 40 neuen Paten im Jahr, ohne Pflanzen und Material. Dass die meisten Grünpaten "Einzelkämpfer" sind, muss nicht erwähnt werden. Dass die Green-City-Praxisworkshops für Grünpaten regelmäßig abgesagt werden, weil …, lässt man unter den Tisch fallen. Aktiv für Paten werben, das Programm auf den sozialen Medien bewerben, warum?! Mach Arbeit und kostet Geld.
Und wieder zerrt der "Wildwuchs" Aussagen ans Licht.
Die Vereinssprecherin von Green City addiert in der tz die 220 Beete der Gemeinschaftsgärten und das Projekt "Grüne Schule" zum Grünpaten-Programm hinzu. Der Fehlerteufel muss erneut im Referat aktiv werden und diesmal auch bei Google. "Grünpatenschaften" muss umgedeutet werden. Hunderte Gemeinde, Städte definieren das bürgerliche Engagement exakt so wie Green City: »Im Projekt Grünpatenschaft können Bürger*innen Grünpaten von Straßenbegleitgrünflächen werden.«
Das Happy End der Geschichte. Die Idee der Politiker und Referate, warum wir Bürger gärteln sollen, hat seine Berechtigung zurückerlangt: »Toleranz und Verständnis zwischen Jung und Alt, Frauen und Männern und unterschiedlichen Nationalitäten fördern«, das ist das Ziel der Gemeinschaftsgärten und der "Grünen Schule".
Und beim Thema "München klimafit“ tut sich auch was. »Eine lebenswerte Stadt für alle erfordert ein entschlossenes Handeln und die Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Wir müssen unsere Stadt jetzt fit für die Zukunft machen (...).« Die Münchner Grünen haben einen Leitantrag zu dem Thema auf ihren Stadtparteitag im Sommer 24 beschlossen. Also cool bleiben und abwarten.
Jetzt muss nur noch dieser "Wildwuchs" verschwinden. Dann ist die Welt wieder in Ordnung und Ruhe kehrt ein.
Ende der Glosse
Forderung
Die 260.000 € Steuergelder, die die Stadt München für das Grünpaten-Programm bereitstellt, sollen direkt an Bürger / Grünpaten ausgezahlt werden, analog zu dem Förderprogramm
"Grün in der Stadt" / RKU für Eigentümer.









